Grettstadt - Geschichte - Israelitische Kultusgemeinde - Jüdisches Leben
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Der Landsturm war im Militärwesen seit dem 15. Jahrhundert „das letzte Aufgebot“ aller Wehrpflichtigen, die weder dem Landheer noch der Marine angehören, zur Abwehr eines feindlichen Einfalls.J158
Zum 1. Februar 1917 wird er zunächst als Landsturmpflichtiger Arzt in das Kriegsgefangenenlager Grafenwöhr einberufen, wechselt aber sehr schnell ins Kriegsgefangenenlager St. Georg Bayreuth, wo er bis zum 31. März 1921 tätig gewesen ist.J157
Solche „Mischehen“ wurden ab dem 15. September 1935 durch das „Blutschutzgesetz“ – Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der Ehre, verboten. Auch die außereheliche Beziehung wurde als „Rassenschande“ unter Strafe gestellt. Wer jedoch in einer „Mischehe“ lebte, wurde zumindest bis kurz vor Ende des Krieges von Deportation verschont und entging dem Holocaust. So auch Dr. Marian Ehrlich, der die Gnade hatte, vor seiner Frau zu sterben.
Dr. Marian Ehrlich
1871 – 1943Dr. med. Marian Ehrlich lebte von 1919 bis 28. Februar 1943 in Grettstadt, Bahnhofstraße 39 1/5, heute Bahnhofstraße 38 als Arzt im Ruhestand.
Geboren wurde er am 19. Oktober 1871 in Thorn (Polen).
Gestorben ist er am 28. Februar 1943 in Grettstadt, an Wassersucht.
Ärztliche Staatsprüfung in Breslau.
Vater: Julius Ehrlich, Kaufmann, israelitisch
Mutter: Bertha Ehrlich, geb. Rosenthal, israelitisch
Eltern zuletzt wohnhaft in Thorn (Polen,
Pommern an der Weichsel).J156 und J157
Pommern an der Weichsel).J156 und J157
Im Archivbestand des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, Kriegsarchiv, befand sich noch ein schmaler Personalakt (Laufzeit 1917 – 1921) über Dr. Ehrlich. Daraus geht hervor, dass er kein Offizier, sondern Vertragsarzt gewesen ist.
Aus dem Kriegsstammrollenauszug geht seine Zugehörigkeit zur Armee als Landsturmpflichtiger Arzt vom 1. April 1893 bis 31. Juli 1897 und vom 1. Februar 1917 bis zum 31. März 1921 hervor.
Hauptinhalt des Personalaktes ist seine Anstellung und Kündigung als Lagerarzt beim Lazarett / Kriegsgefangenenlager / Internierungslager Bayreuth.J157
Dienstverhältnisse:
1. April 1893 – 30. September 1893
als Einjährig-Freiwilliger beim Grenadierregiment Nr. 10 (damals Breslau)
1. Februar 1897 – 31. Juli 1897
als angestellter freiwilliger Arzt beim Infanterie Regiment N. 63 (damals Neiße) als Unterarzt zur Reserve beurlaubt, keine Übung gemacht.
Von 1897 bis zum 1. Februar 1917 ist Dr. Ehrlich wohl als approbierter Arzt in Erlangen tätig.J157
Urlaubsschein vom 9. April 1917 für Landsturmarzt Ehrlich vom Gefangenen-Lagerarzt des Kriegsgefangenenlager Grafenwöhr. © Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kriegsarchiv, Personalakt (Laufzeit 1917 – 1921), Archivsignatur BayHStA; OP 7389, Seite 23.
Dienstvertrag zwischen nicht-militärischem Personal, hier Dr. Marian Ehrlich, und dem Sanitätsamt Nürnberg als Vertreter des Militärfiskus vom 1. Mai 1919. © Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Kriegsarchiv, Personalakt (Laufzeit 1917 – 1921), Archivsignatur BayHStA; OP 7389, Seiten 10 und 11.
In der handschriftlichen Ortschronik Grettstadt, erstellt während der NS-Zeit von Ortspfarrer Karl Spieler und übergeben im Januar 1962 an die Gemeinde, findet sich unter dem Thema Verfolgungspolitik des 3. Reiches folgender Hinweis auf den jüdischen Ortsbürger Dr. Ehrlich:
„Dr. Marian Ehrlich (Jude) musste 8 Tage im Gefängnis zu Gerolzhofen verbringen im Jahr 1938 – er starb später in Grettstadt eines natürlichen Todes; er wurde auf dem Sterbebett von seiner katholischen Frau getauft und auf dem jüdischen Friedhof zu Schweinfurt beigesetzt“.J159
Die Angabe bezieht sich auf die Pogromnacht 9. / 10. November 1938.
Dr. Marian Ehrlich und seine Frau Katharina, geborene Rippel, lebten zur Zeit des Nationalsozialismus in einer sogenannten „Mischehe“. So wurden Ehen bezeichnet, die zwischen Juden und „deutschblütigen“ geschlossen wurden.
Die sogenannten „deutschblütigen“ wurden meist als Person herabgewürdigt, ihre Erwerbstätigkeit eingeschränkt und durch Vorschriften in ihrer Lebensführung fremdbestimmt.
Grabstein am Jüdischen Friedhof in Schweinfurt mit der Inschrift:
Dr. med. Marian Ehrlich, geb. 19.10.1871, gest. 28.02.1943.
© Foto: Sascha Vay, Unterschleichach, 2023.
Dr. med. Marian Ehrlich, geb. 19.10.1871, gest. 28.02.1943.
© Foto: Sascha Vay, Unterschleichach, 2023.
Außerdem existiert ein Zeitungsausschnitt des Schweinfurter Tagblattes. Dort heißt es: „Auch jüdische Kriegsteilnehmer, Väter und Mütter von Gefallenen starben im Konzentrationslager. Immerhin gab es auch Ausnahmen, wenn auch ganz wenige. Ein Gedenkstein auf unserem Friedhof trägt die Inschrift:
„Dr. med. Marian Ehrlich, geb. 19.10.1871, gest. 28.02.1943“.
Dr. Ehrlich war im Ersten Weltkrieg Stabsarzt (richtig: Landsturmpflichtiger Vertragsarzt) und wohnte mit seiner christlichen Frau seit etwa 1920 (richtig: 1919) in Grettstadt. Er lebte von seiner Militärpension, stand den Leuten mit Rat und Tat zur Seite und war im ganzen Dorf geachtet und geschätzt. So blieb es auch in der Zeit der Verfolgung und die Nationalsozialisten wagten es wohl nicht, an diesem Mann zu rühren. Hätte es mehr solcher Gnadenfälle gegeben – der Weg zur Wahrheit und zur Menschenliebe„Dr. med. Marian Ehrlich, geb. 19.10.1871, gest. 28.02.1943“.
wäre weniger steinig!“J157 und J160
Ehefrau: Katharina, Berta Ehrlich, geborene Rippel
geboren am 05. Juli 1875 in Köln Ehrenfeld
gestorben am 11. Oktober 1944 in ihrer Wohnung in Grettstadt, an Myocarditis, Herzmuskelinsuffizienz
Vater: Nikolaus Rippel, Mechaniker, katholisch, wohnhaft in Frankfurt
Mutter: Maria Josefine Rippel, geborene Brisch, katholisch, wohnhaft in Frankfurt
Die Verstorbene war verheiratet mit dem bereits verstorbenen Arzt Marian, Martin, Felix, (Israel) Ehrlich.
Eingetragen auf mündliche Anzeige der Agnes Köhl, geborene Reinwald, wohnhaft in Grettstadt, Hausnummer 39 1/5.
Eheschließung am 16. April 1913 in Frankfurt am Main.J161
Wahrscheinlich der Wohnort der Eltern von Katharina Ehrlich.
Das Ehepaar Ehrlich war kinderlos.J157
Wohnhaus Bahnhofstraße 39 1/5 in Grettstadt, heute Bahnhofstraße 38
Das Ehepaar Ehrlich wohnte gesichert ab 1919 in einer Mietwohnung in Grettstadt, Bahnhofstraße 39 1/5, heute Hausnummer 38.
Eigentümer der Wohnung war Christian Hellerich, der zusammen mit seiner Ehefrau Anna Maria, am 16. Dezember 1938 nach Amerika / New York auswanderte.J162
Fotos Wohnhaus Bahnhofstraße 39 1/5, heute Bahnhofstraße 38 in Grettstadt
1958: Grettstadt Bahnhof mit Anwesen Bahnhofstraße 38 und 40, sowie der ehemaligen Gärtnerei im Hintergrund. © Foto: Gemeindearchiv Grettstadt.
© Foto: Gemeindearchiv
Grettstadt