Vorträge - Grettstadt

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Vorträge
„Wertvolle Quellen: Die Berichte der Pfarrer von Grettstadt zum Kriegsende 1945, Hirschfeld und Stammheim sowie der Erlöserschwestern des Klosters Maria Hilf Heidenfeld – eine Auswertung“

Die Feierlichkeiten zum 425. Geburtstag des Grettstadter Rathauses eröffnete ein Vortrag von Kreisheimatpfleger Stefan Menz, der einen Bericht zum Kriegsende 1945 von Pfarrer Karl Spieler, dem früheren Ortsgeistlichen von Grettstadt, in den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte. Zum Vortrag in den Bürgersaal eingeladen hatten Bürgermeister Ewald Vögler und der Historische Arbeitskreis. Die Geschehnisse vor rund 70 Jahren interessierten so viele Zuhörer, dass das Fassungsvermögen des Bürgersaals ausgeschöpft wurde.

Menz betonte eingangs, dass die Gemeinde Grettstadt und ihre Bürger auf ihre beiden Rathäuser stolz sein könnten, die als besondere Schmuckstücke des Landkreises gelten. Das Historische Rathaus Grettstadt sei ein „Haus der Gemeinde für die Gemeinde“, kein schmückendes Beiwerk, sondern ein Gebäude mit vielfältiger Nutzung.

In seinem Vortrag beleuchtete Stefan Menz zunächst die Gesamtsituation im Landkreis Schweinfurt im April 1945, als die Dritte Division der US-Armee unter dem berühmt-berüchtigten General Patton einmarschierte und immer weiter in Richtung Schweinfurt vordrang. Schweinfurt wurde am 11. April von den Amerikanern besetzt, Grettstadt nach schwerem Beschuss einen Tag später. Auffällig sei, dass trotz des intensiven Beschusses kaum Gebäude zerstört worden wären.

Als Glücksfall für die Dorfgeschichte bezeichnete Menz die Heimatchronik, die der historisch interessierte Pfarrer Karl Spieler, der 1935 bis 1946 als Pfarrer in Grettstadt wirkte, in seinem Ruhestand niedergeschrieben hatte. Das handschriftliche Buch überreichte der Kirchenhistoriker und Mitbegründer des Würzburger Vereins für Diözesangeschichte Ende Dezember1961 der Gemeinde. Bereits im Januar 1962 würdigte man damals seine Verdienste mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde, ohne einschätzen zu können, wie bedeutsam diese Aufzeichnungen waren.

Drei Wochen nach Ende des 2. Weltkrieges hatte der Würzburger Bischof Ehrenfried alle Seelsorger seiner Diözese aufgefordert, die Ereignisse rund um das Kriegsende 1945 zu dokumentieren. 141 solcher Vorortberichte seien beim Bischof angekommen und befinden sich heute im Diözesanarchiv, erzählt Stefan Menz. Sie geben ein eindrucksvolles Bild der Geschehnisse rund um den Einmarsch der Amerikaner im April und Mai 1945 wider. Diese sogenannten Einmarschberichte der Pfarrer sind heute wertvolle Quellen.

Der Brief von Pfarrers Karl Spieler aus Grettstadt kam aber offensichtlich nie in Würzburg an. Im Chaos der Nachkriegswirren ist er möglicherweise auf dem Postweg verschollen, sagt Menz. Pfarrer Spieler hat aber eine Kopie seines Briefes in seiner Heimatchronik niedergeschrieben. Diesen Brief entdeckte Ruth Volz beim Studium des Heimatbuches für den historischen Arbeitskreis. Er stellt einen außerordentlichen Fund für die Diözesangeschichte dar, hob Stefan Menz hervor. Eindrucksvoll und mit klaren Worten schildert der Pfarrer die Vorkommnisse während der Kriegsjahre. Den Bericht aus Grettstadt hat der Kreisheimatpfleger zwischenzeitlich ans Würzburger Archiv übermittelt. Er fand damit nach 70 Jahren doch noch den Weg zum Bischof und auch die Zuhörer lauschten gespannt dem Bericht ihres einstigen Pfarrers, den Stefan Menz als Abschluss seines Vortrages vorlas.

Der Bericht von Pfarrer Karl Spieler endet mit den Worten:
Am Donnerstag den 12.4.1945 liegt von Mitternacht bis gegen Morgen Grettstadt unter schwerem Beschuss der feindlichen Panzer, sowie deutscher Geschütze. Nennenswerter Schaden entstand jedoch nicht, denn die Geschosse explodieren meist in den angrenzenden Fluren. Früh nach 6 Uhr rollen die ersten USA-Panzer in Grettstadt ein. Das Dorf wird nicht verteidigt. Die Panzersperren waren nicht geschlossen! Die Amerikaner durchsuchten sofort alle Gebäude nach deutschen Soldaten und ließen auf allen Häusern weiße Fahnen hissen. Nachdem die Besetzung erfolgt war, wurde das Donnerstags-Engelamt abgehalten, an dem sich die Pfarrgemeinde sehr zahlreich beteiligte, Gott von Herzen dankend, dass alles so gut für unser Dorf abgelaufen ist – am Schluss des Gottesdienstes erbat sich ein amerikanischer Soldat die heilige Kommunion.
 
Die Zeitdokumente wurden in einem „Geschichtsblatt der Gemeinde Grettstadt“ zusammengefasst. Die Druckausgabe bei der Veranstaltung stark nachgefragt. Darin aufgenommen werden konnten auch Nachforschungen des Gerolzhöfer Historikers Norbert Vollmann. Er hat die Geschichte der Bomberabstürze recherchiert und konnte Details über den Absturz des amerikanischen Bombers zwischen Grettstadt und Sulzheim in Erfahrung bringen. Speziell dazu ist ein weiterer Vortrag in Vorbereitung.

Zeitzeugen erzählen: Luftangriffe, Kriegsgefangene und ein Frauenaufstand

Der zweite Teil des Vortragsabends gehörte Zeitzeugen und Besuchern. Luisa Bätz von der Jugendrotkreuzgruppe las zu Beginn Auszüge aus dem Tagebuch, das Rita Eschenauer im April 1945 aufgeschrieben und in ihrem Büchlein „Zuckerbrot“, einer Familiengeschichte, veröffentlicht hat. Dies war der Einstieg für eine offene Gesprächsrunde, an der neben Rita Eschenauer. Maria Kraus und Gerhard Jung, den es als Evakuierter nach dem Bombenangriff auf Würzburg nach Grettstadt verschlagen hatte, gehörten. 
Viele Zuhörer konnten den Berichten Interessantes hinzufügen. So hat es offensichtlich auch in Grettstadt einen „Frauenaufstand“ gegeben. Als nämlich die deutsche Armee am Dienstag, 10. April mit Geschützstellungen, sowohl im Unterdorf im Bereich Bahnlinie/Burkartsbrunnen, als auch in Höfen des Oberdorfes Richtung Sulzheim Stellung beziehen wollten, sind es Frauen gewesen, die sich dagegen vehement wehrten, erzählte Elisabeth Kutzenberger. Der Widerstand war offensichtlich so groß, dass die deutschen Soldaten noch am selben Tag abzogen und Grettstadt verließen. Frauen seien es auch gewesen, die dann die erste weiße Flagge am Kirchturm hissten – ein Zeichen, dass der Ort nicht verteidigt würde.
 
„Am Morgen des 12. April früh um 6 Uhr kommen die ersten Panzer am Rand des Schopfigwaldes entlang gefahren. 20-30 amerikanische Panzer rollen in Grettstadt ein und stehen entlang der Bahnhofstraße/Hauptstraße Parade“, erzählt Rita Eschenauer.  Das Dorf wird an die Amerikaner übergeben. Gegen Mittag rollen die Panzer weiter und es kommen viele Kolonnen verschiedener Lastwagen durch Grettstadt gefahren. In der Nacht hatten Bürger sowohl im Unterdorf die Panzersperren entfernt, als auch im Oberdorf, wo man die schweren Holzstämme mit einem landwirtschaftlichen Fahrzeug wegzog, kann sich Altbürgermeister Wolfgang Schmitt erinnern.  Damit hatte sich Grettstadt ergeben und wohl weitere Zerstörungen vermieden. Interessant auch die These des Altbürgermeisters, der mutmaßt, dass die Bevölkerung verschont wurde, weil die Amerikaner bei den Hausdurchsuchungen bemerkten, dass zahlreiche Bürger Verwandte in den USA hatten. Nach dem 1.Weltkrieg gab es in Grettstadt nämlich  eine große Auswanderungswelle, als rund 125 Grettstädter nach Amerika auswanderten. Der „Grettstädter Club in New York“ ist vielen noch heute ein Begriff.

Thematisiert wurde auch das Kriegsgefangenenlager: In Grettstadt waren rund 100 Kriegsgefangene/Zwangsarbeiter in verschiedenen Unterkünften untergebracht, die im Eisenbahnwaggon vom Grettstadter Bahnhof zum Arbeiten in die Schweinfurt Fabriken transportiert wurden. Rund 30-40 Franzosen waren im ehemaligen Tanzsaal des Gasthauses Straub einquartiert, mindestens ebenso viele Belgier und Holländer im Tanzsaal des Gasthofes Vier Jahreszeiten und acht Engländer, die in der umliegenden Landwirtschaft arbeiten mussten, waren im heutigen Bürgersaal untergebracht. Außerdem gab es  Kriegsgefangene, oft Polen, bei einzelnen Landwirten, die zur Mitarbeit in der Landwirtschaft gezwungen wurden. Ernst Firsching kann sich erinnern, dass speziell die gefangenen Franzosen manchmal sonntags den Sportplatz nutzen durften und dann nachmittags im Bewässerungsteich Guges badeten. Einmal hat es sogar ein Fußballspiel gegen eine Jugendmannschaft gegeben, das die französischen Kriegsgefangenen gewonnen haben, erinnert er sich.

Gerhardt Jung sagt am Ende eines beeindruckenden Abends, dass die meisten Einwohner den Einmarsch der Amerikaner als wirkliche Befreiung, Erleichterung und Neubeginn empfunden haben, auch wenn der Krieg noch nicht zu Ende gewesen sei – das tägliche Leben hätte sich mit dem Einmarsch der Amerikaner schlagartig verändert.

Ruth Volz
Die spannende Suche nach untergegangenen Siedlungen

Auf großes Interesse ist der Vortrag des Heimatforschers Mario Dorsch am 20.03.2015 gestoßen, der auf Einladung des Historischen Arbeitskreises seine Untersuchungen und Nachforschungen über verschwundene mittelalterliche Siedlungen zwischen Steigerwald, Main und der Volkach präsentierte. Über 60 interessierte Zuhören fanden sich im Feuerwehrhaus ein. Die zuletzt gekommenen mussten auf eilig herbeigeschafften Bierbänken Platz nehmen.



Als Wüstungen bezeichnen Archäologen jene Dörfer und Siedlungen, die vor langer Zeit aufgegeben wurden. Sieben dieser wüst gegangenen Siedlungen liegen im Gemeindebereich Grettstadts. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Siedlungsgeschichte können die Studien archivarischer Quellen, Bücher, der Volksmund, aber auch Sagen oder alte Flurnamen Indizien auf ehemalige Siedlungen geben, erzählt Dorsch. Siedlungsfunde im Bereich Obereuerheimer Gewerbegebiet gehen zurück auf die Hallstattzeit 800 bis 450 vor Christi. Siedlungsfunde (im heutigen Ortsbereich von) Grettstadt bestätigen eine Besiedelung schon zur Zeit der Kelten 400 bis 50 vor Christi und römischen Kaiserzeit bis etwa 400 nach Christi. Die Ursiedlung Grettstadt könnte demnach auf eine keltisch-elbgermanische Siedlung in den Jahrhunderten um Christi Geburt zurückgehen, erläutert Dorsch.

In den Jahren 900 bis 1200, eine relativ kriegsfreie Zeit, habe es eine Bevölkerungsexplosion gegeben. Die Anzahl der Menschen habe sich vervierfacht. Dadurch wuchsen kleine Orte und neue Siedlungen entstanden. Diese Entwicklung wird hochmittelalterlicher Landesausbau genannt. Im 13. Jahrhundert setzte eine Rückentwicklung ein. Regionale Fehden, zu Zunahme ansteckender Krankheiten wie Lepra, aber auch Naturkatastrophen, Klimaveränderungen und Missernten machten den Menschen zu schaffen. In den Jahren 1338 bis 1340 ist eine Heuschreckenplage auch in unserem Raum belegt und 1341 ein europaweites Erdbeben. Zudem dezimierte ab 1350 die Pest vielerorts die Bevölkerung. Zwischen 1400 und 1500 gab es wieder unzählige kriegerische Auseinandersetzungen.



In dieser Zeit setzte verstärkt eine „Landflucht“ ein. Vor allem kleinere Dörfer und Weiler wurden verlassen, die Bauern zogen in die größeren Dörfer in der Umgebung oder in eine Stadt. Deshalb entstanden in unserem „Altsiedelland“ vielerorts Wüstungen, stellt Dorsch fest.

Großes Zuhörerinteresse bestand zum Centgericht am Karlsberg zwischen Weyer und Untereuerheim. Die Gerichtsstätte mit Galgenberg konnte in der Vergangenheit zweifelsfrei in der heutigen Gemarkung von Weyer ermittelt werden. Entgegen bisheriger Forschungen sieht Dorsch aber die Siedlungsstätte Karlsberg nicht im 2500 Meter entfernten Untereuerheimer Waldgebiet Karlsloch (Wald des Karl, wie es der Grettstädter Archivar Wolfgang Dorda übersetzt), sondern etwa 1500 Meter von Centplatz entfernt an der nordwestlichen Ecke des Waldgebietes Schnepperlein auf der Anhöhe des Karlsberges. Anders als beim Karlsloch sind an dieser Stelle alle Siedlungsvoraussetzungen gegeben, sagt Dorsch. Ackerflächen, Wasserquelle, Bach, Anhöhe, Wegekreuzung und die Lage zu den Nachbardörfern weisen auf eine Siedlung an diesem Ort hin, ist Mario Dorsch überzeugt. Aber auch Spuren einer früheren Bebauung mit mindesten fünf bis sechs Häusern sind dort an einer alten Wegkreuzung zwischen Bach und Waldrand noch zu finden, sagt der Heimatforscher.



Das ehemals sehr große Moorgebietes zwischen Unkenmühle, Grettstadt, Unterspiesheim und Sulzheim weckte das Interesse der Zuhörer. Wohl schon zu keltischer Zeit haben im Moor Menschen gelebt, so der Heimatforscher. Dies bestätigen Ausgrabungen von Grubenhäusern aus der La Ténezeit in der Flur „Siechhof“. Der untergegangene Siechhof wird genau am Treffpunkt der Gemarkungsgrenzen von Grettstadt, Sulzheim, Ober- und Unterspiesheim vermutet. Eventuell haben die Ebracher Mönche, die auch in Grettstadt Besitztümer unterhielten, oder die anliegenden Dörfer Schwebheim, Grettstadt, Unter- und Oberspiesheim die Gebäude außerhalb der Dörfer für Kranke und Aussätzige (mit der Möglichkeit der Selbstversorgung) finanziert, lässt Mario Dorsch ein Stück Geschichte lebendig werden. Erst in den 1920er Jahren sei die Trockenlegung des großen Moorgebietes erfolgt.

Mario Dorsch, der seine frühen Kindheitstage in Grettstadt verbracht hat und heute in Horhausen wohnt, arbeitet zusammen mit seiner Ehefrau Katrin Kluge-Dorsch, zur Zeit an seinem zweiten Band, der die Wüstungen nördlich des Mains in der so genannten Schweinfurter Rhön bzw. dem „Schlettach“, etwa das Gebiet zwischen Schweinfurt/ Stadtlauringen und der Haßbergvorschwelle aufgreift. Die Publikation ist für Herbst dieses Jahres geplant. Band drei soll das Gebiet zwischen Main und Wern abdecken.

Ruth Volz
Der Historische Arbeitskreis der Gemeinde Grettstadt

lädt ein

Vortrag von Heimatforscher Mario Dorsch

"Auf der Suche nach wüsten Dörfern in der Gemeinde Grettstadt"

am Freitag 20. März 2015

Beginn 19 Uhr

im Feuerwehrhaus Untereuerheim



Über fünf Jahre lang hat sich der Heimatforscher Mario Dorsch aus Horhausen auf die Spuren von über 60 untergegangenen Siedlungen begeben. Im Jahr 2013 hat er darüber ein erstes Buch veröffentlicht. In Bildern und Erklärungen wird Mario Dorsch die untergegangenen Siedlungen und Dörfer in unserem Gemeindegebiet vorstellen und auch auf das ehemalige Hochgericht mit Galgenplatz am Karlsberg, zwischen Gochsheim und Untereuerheim gelegen, eingehen. Dort hielten die Schöffen der Dörfer Sennfeld, Gochsheim, Grettstadt, Schwebheim, Unter- und Obereuerheim, Pusselsheim und Dürrfeld mit dem Centgrafen Gericht über die "vier hohen Rügen" Mord, Diebstahl, Notzucht und fliesenden Wunden.
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